Freitag, 22. Juni 2012

Herr Froschbiss-Uferrüssler

Anfang Mai hatte ich meine erste Begegnung mit einem Insekt, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Es saß auf einem Autodach und war entweder stockbesoffen und kurz vorm Kotzen oder erfreute sich an seinem Spiegelbild:






Was um Himmels willen ist das? Eine Art Schildlaus? Ein Käfer? Ein Außerirdischer?

Zu Hause wurde dann schnell nach dem Vieh gegoogelt – siehe da: es ist ein sogenannter Rüsselkäfer, von dem es weltweit etwa 60.000 Arten gibt, und die so wohlklingende Namen tragen wie "Gefurchter Dickmaulrüssler" (nein, nicht gefürchteter, zumindest nicht von mir), "Gemeiner Graurüssler" (hm, ein bisschen gemein sieht er ja schon aus) oder Stenopelmus rufinasus. Einige Arten sind parthenogenetisch (kein Wunder, dass es bei diesem Aussehen nicht mehr viele Käfermänner gab, die sich nach Zweisamkeit mit den hübschen Damen sehnten, also schafften die Weibchen die Männchen ab und pflanzen sich seither ohne sie fort. Ideal!)


Verschiedene Gattungen sind unter anderem: Verwechselbarer Holzrüssler (würde mich interessieren, womit man den verwechseln kann), Gesprenkelter Ebereschen-Blütenstecher, Froschbiss-Uferrüssler (klingt wie ein Doppelname… Adele Froschbiss-Uferrüssler *grins*), Wermut-Zahnrüssler (ha! Das ist bestimmt der Kotzer vom Autodach, der zuviel Wermut erwischt hat!), Unechter Kohlschotenrüssler (im Gegensatz zum echten?), Schwachzottiger Kleinrüssler (also ich kenne einige schwachsinnige Großturüssler), Schlanker Nahtstreif-Kleinrüssler, Wau-Kleinrüssler (bellen die etwa?), Weißschildiger Braunwurzschaber (wäre das nicht mal eine Idee für das nächste Faschingskostüm?) oder Gemeiner Faulholzrüssler (hm, sowas bin ich auch manchmal, meist sonntags).
Nebenbei wurde erwähnt, dass sich diese Käfer nur langsam fortbewegen können….

Und heute hab ich einen an der Hausfassade meiner Firma entdeckt, schnell ein Glas geholt und ihn da reinpurzeln lassen, abgedeckt mit einem Stück Papier mit Luftlöchern, und mit nach Hause genommen, damit ich von diesem sich angeblich nur langsam fortbewegen könnenden Rüsselkäfer welcher Sorte auch immer noch bessere, genauere Detail-Fotos machen kann.

Also setze ich Herrn Froschbiss-Uferrüssler (also ich weiß jetzt erstens natürlich nicht, ob er ein Vertreter dieser Art ist, aber der Name gefällt mir einfach am besten, und zweitens ist mir nicht bekannt, ob er zu der parthenogenetischen Art gehört, weil dann wäre es ja Frau Froschbiss-Uferrüssler) auf das Fensterbrett (innen, klar!), wo er sich blitzartig als Käfer-Nurmi entpuppt! (Für alle, die den Namen nicht kennen: Paavo Nurmi
war finnischer mehrfacher Lauf - Olympiasieger.)

Huch, er erklimmt meinen Vorhang! Ich muss den Käfer schnell wieder ins Glas purzeln lassen, bevor ich eine Stehleiter brauche, um ihn wieder einzufangen! Da durchzuckt mich ein schauderhafter Gedanke: Können die eigentlich fliegen? Die Vorstellung, dass Herr (oder Frau) Froschbiss-Uferrüssler durch meine Küche brummt, gefällt mir nicht besonders. Schließlich möchte ich ihn (oder sie) nach dem Shooting (TFP – versteht sich) wieder freilassen, ohne Gebrauch von meiner Fliegenklatsche machen zu müssen. Denn dann würde sich das mit dem Freilassen leider erübrigen.


Daher wurde kurzerhand eine Art Laufstall gebastelt, aus dem er mir nicht so einfach abhauen kann (gut, dass ich die letzte Verpackungsansammlung noch nicht entsorgt habe!) Her mit einem Plastik-Obstbehälter, schnipp-schnapp den oberen Rand 3 cm hoch abgeschnitten und Herrn Froschbiss-Uferrüssler – ich bleib jetzt der Einfachheit halber mal bei der Annahme, dass der Käfer einer Art angehört, die noch nicht dem Vergnügen der zweigeschlechtlichen Vermehrung entsagt, und dass er männlich ist – in seinen neuen Laufstall gesetzt. Laufstall im wahrsten Sinne des Wortes, denn er beginnt da drin wie wild herumzulaufen.



Oder er fuchtelt beim Suchen eines Auswegs mit seinen Beinen oder Fühlern herum....


      ....oder dreht mir demonstrativ den Rücken zu,
              
       einige Male ganz deutlich mit unanständigen Gesten!




Ich versuche ihn mit ein paar Blättern zu bremsen oder zu beschäftigen, aber das funktioniert auch nicht wirklich....


Hm... das Verhalten erinnert mich an die Rennmaus, die ich vor einiger Zeit mal fotografiert habe, aber das ist eine andere Geschichte.

Das Ende dieser Geschichte: ich habe keine besseren, genaueren Detail-Fotos von einem Käfer namens Herr Froschbiss-Uferrüssler aus der Familie der Curculionoidae, der jetzt zwar 6 km von seinem Fundort entfernt im Gebüsch lebt, jedoch immerhin noch in seiner Geburtsgemeinde, nehme ich zumindest an. Aber bei ca. 1200 mitteleuropäischen Arten läuft – nein, kriecht - mir vielleicht eines Tages ein gemächlicheres Exemplar über den Weg.







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